
Orbea Occam LT im Test: Das Mitte September vorgestellte Orbea Occam LT verfügt über 150 mm Federweg an Front wie Heck und soll die Brücke zwischen Trail- und Enduro-Bike schlagen. Wir haben das interessante Carbon-Bike ausführlich für euch getestet!
Steckbrief: Orbea Occam LT
Einsatzbereich | Trail |
---|---|
Federweg | 150 mm/150 mm |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 13,7 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: L) |
Website | www.orbea.com |
Die Presseabteilung von Orbea blickt auf einen arbeitsreichen September 2021 zurück: Nachdem direkt zu Anfang des Monats der Vorhang für das neue Race-Enduro Rallon (hier geht’s zum Orbea Rallon Test) gelüftet wurde, folgte nur wenige Tage später die Präsentation des neuen Orbea Occam LT. Das Trail Bike mit 29″-Laufrädern und 150 mm Federweg an Front und Heck ist dem regulären Occam entwachsen und soll dank mehr Federweg und einer abfahrtsorientierten Geometrie die Brücke zwischen Enduro und Trail schlagen. Angeboten werden insgesamt drei verschiedene Ausstattungsvarianten, von denen das Einstiegsmodell auf einen Aluminium-Rahmen setzt, während die anderen beiden Modelle mit Carbon-Rahmen ausgeliefert werden. Wir haben das rund 13,7 kg schwere M10 Topmodell in Rahmengröße L für euch getestet. Preislich liegt die Variante mit Stahlfeder-Dämpfer bei knapp 5.700 €

Im Detail
Nicht nur auf den ersten Blick gleichen sich die Rahmen vom neuen Orbea Occam LT und dem Occam ohne Namenszusatz wie ein Ei dem anderen. Die einzigen Unterschiede zwischen den beiden Varianten finden sich in den Einbaulängen der Federelemente und natürlich bei der Ausstattung. Dadurch bietet das Occam LT zusätzliche 10 mm Federweg und kommt mit einer etwas abfahrtslastigeren Geometrie daher.

Obwohl man es beim Blick auf die Antriebsseite wahrlich nicht vermuten würde, bietet der Rahmen ausreichend Platz für eine Flaschenhalter-Aufnahme. Diese ist bedingt durch das asymmetrische Rahmen-Design allerdings nur von links zu erreichen, was für Rechtshänder erst mal etwas Umgewöhnung bedeutet.

Eine Flaschenhalter-Aufnahme allein reicht heutzutage allerdings meist nicht mehr, um die Fraktion der Rucksack-Verweigerer zufriedenzustellen. Praktische Storage-Lösungen müssen her. Zwar sucht man am Occam LT vergeblich nach einem Kofferraum wie man ihn beim neuen Rallon findet. Dafür haben sich die Spanier allerdings einige andere Finessen einfallen lassen. So versteckt sich im Lager des Umlenkhebels ein kleines Multitool. Dieses wird magnetisch an Ort und Stelle gehalten und ist durch einen O-Ring vor Wasser und Staub geschützt. Zur Verfügung stehen 4 Inbus-Schlüsse. Für noch mehr Werkzeug-Bandbreite sorgt der Hebel zum Festziehen der Hinterrad-Achse. Dieser lässt sich bei Bedarf einfach herausziehen und fungiert dann als Sechser Inbus. Neben seiner Hauptfunktion ist auch noch ein Ventilkern-Schlüssel mit von der Partie.

Auch ansonsten gibt es an den Details des Occams nichts zu meckern. Alle Züge verlaufen innerhalb integrierte Führungsröhrchen durch den Rahmen und werden sogar außerhalb von speziellen Kunstoff-Röhrchen geschützt. Ebenfalls einen umfangreichen Schutz genießen die Kettenstreben und das Unterrohr des edlen Carbon-Rahmens. Hier kommen großzügige Kunststoff-Protektoren zum Einsatz. Durch das Höcker-Design an den Kettenstreben soll zudem die Geräuschkulisse der Kette wesentlich reduziert werden. Ebenfalls erfreulich ist das geschraubte Tretlager.

Geometrie
Prinzipiell bleibt die Geometrie des Orbea Occam LT im Vergleich zur regulären Ausführung unverändert – mit dem Unterschied, dass die 150 mm-Federgabel den Lenk- und Sitzwinkel jeweils um 0,5° abflacht und das Tretlager leicht anhebt. Konkret bedeutet das, dass bei unserem Testbike in Größe L ein Reach von geräumigen 474 mm auf einen 65,5° flachen Lenkwinkel und ein 440 mm langes Heck treffen. Der Sitzwinkel von 76,5° verspricht eine zentrale Sitzposition im Uphill, 336 mm trennen das Tretlager vom Boden der Tatsachen. Eine Möglichkeit, die Geometrie zu verstellen, hat Orbea nicht vorgesehen. Insgesamt fällt die abfahrtsorientierte Geometrie relativ moderat und recht ausbalanciert aus.
Rahmengröße | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 425 mm | 450 mm | 474 mm | 500 mm |
Stack | 604 mm | 613 mm | 627 mm | 646 mm |
STR | 1,42 | 1,36 | 1,32 | 1,29 |
Lenkwinkel | 65,5° | 65,5° | 65,5° | 65,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 76,5° | 76,5° | 76,5° | 76,5° |
Oberrohr | 565 mm | 592 mm | 619 mm | 649 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 105 mm | 120 mm | 140 mm |
Sitzrohr | 381 mm | 419 mm | 457 mm | 508 mm |
Überstandshöhe | 710 mm | 736 mm | 766 mm | 776 mm |
Kettenstreben | 440 mm | 440 mm | 440 mm | 440 mm |
Radstand | 1.165 mm | 1.194 mm | 1.224 mm | 1.259 mm |
Tretlagerabsenkung | 32 mm | 32 mm | 32 mm | 32 mm |
Tretlagerhöhe | 336 mm | 336 mm | 336 mm | 336 mm |
Federweg (hinten) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Federweg (vorn) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Ausstattung
Orbea bietet das Occam LT in insgesamt drei Ausstattungsvarianten für Preise zwischen 3.199 € und 5.699 € zum Kauf an. Das preiswerteste Modell im Bunde hört auf den Namen Occam H20 LT und setzt auf einen Aluminium-Rahmen, während die anderen beiden Bikes mit einem Herzstück aus Kohlefaser unterwegs sind. Alle Varianten kommen wie bei Orbea üblich mit Fox-Fahrwerken sowie Antrieb und Bremsen von Shimano. Abgerundet wird das Ganze durch Laufräder von Race Face, der hauseigenen OC MC20 Mountain Control Dropper-Variostütze und Maxxis-Reifen mit Exo-Karkasse.
Wie bei Orbea üblich ist die vorgegebene Ausstattung allerdings nicht in Stein gemeißelt, sondern bietet dem Kunden in einigen Punkten Änderungsmöglichkeiten an. Überdies kann die Lackierung des Topmodells im Rahmen des MyO-Programms großzügig individualisiert werden. Wir haben das 5.699 € teure Occam M10 LT mit Fox Factory-Fahrwerk, Stahlfeder-Dämpfer, hochwertigem Race Face-Cockpit und Shimano XT-Komponenten getestet. In dieser Konfiguration bringt das Orbea Occam LT lediglich schlappe 13,7 kg auf die Waage.
- Federgabel Fox 36 Factory (150 mm)
- Dämpfer Fox DHX Factory (150 mm)
- Antrieb Shimano XT
- Bremsen Shimano XT
- Laufräder Race Face Turbine R30 TLR
- Reifen Maxxis Minion DHF Exo / Maxxis Dissector Exo
- Cockpit Race Face Next R (780 mm) / Race Face Aeffect R (50 mm)
- Sattelstütze OC MC20 Mountain Control Dropper (150 mm)
Ausstattungsvariante | Occam H20 LT | Occam M30 LT | Occam M10 LT |
---|---|---|---|
Rahmen-Material | Aluminium | Carbon | Carbon |
Federgabel | Fox 36 Performance, 150 mm | Fox 36 Performance, 150 mm | Fox 36 Factory, 150 mm |
Dämpfer | Fox Float X Performance | Fox Float X Performance | Fox DHX Factory |
Kurbel | Race Face Aeffect | Race Face Aeffect | Shimano XT |
Steuersatz | Acros Alloy | Acros Alloy | Acros Alloy |
Lenker | OC1 35 mm, 12 mm Rise, 780 mm | OC1 35 mm, 12 mm Rise, 780 mm | Race Face Next R 35, 20 mm Rise, 780mm |
Vorbau | OC1 3D Forged 35 mm | OC1 3D Forged 35 mm | Race Face Aeffect R 35 |
Schalthebel | Shimano SLX M7100 | Shimano SLX M7100 | Shimano XT M8100 |
Bremsen | Shimano M6100 | Shimano M6120 | Shimano XT M8120 |
Kassette | Shimano CS-M7100, 10-51t | Shimano CS-M7100, 10-51t | Shimano CS-M8100, 10-51t |
Schaltwerk | Shimano SLX M7100 SHS Shadow Plus | Shimano XT M8100 SGS Shadow Plus | Shimano XT M8100 SGS Shadow Plus |
Kette | Shimano M6100 | Shimano M6100 | Shimano M6100 |
Laufradsatz | Race Face AR 30c | Race Face AR 30c | Race Face Turbine R30 TLR |
Reifen | Maxxis Minion DHF Exo / Maxxis Dissector Exo | Maxxis Minion DHF Exo / Maxxis Dissector Exo | Maxxis Minion DHF Exo / Maxxis Dissector Exo |
Sattelstütze | OC MC20 Mountain Control Dropper | OC MC20 Mountain Control Dropper | OC MC20 Mountain Control Dropper |
Sattelstützen Remote | Shiamno SL-MT500 | Shiamno SL-MT500 | Shiamno SL-MT500 |
Sattel | Fizik Taiga S-alloy rail | Fizik Taiga S-alloy rail | Fizik Taiga S-alloy rail |
Preis (UVP) | 3.199 € | 3.999 € | 5.699 € |
Auf dem Trail
Dank des recht steilen Sitzwinkels und des moderaten Reachs nimmt man auf dem Orbea Occam LT eine zentrale, aufrechte Fahrposition ein. So fühlt man sich direkt wohl und kann seine Kraft effizient in die Pedale bringen. Und das geht ziemlich flott vonstatten: Das Occam reagiert unverzüglich und sehr direkt auf Input und begeistert mit jeder Menge Agilität und Vortrieb. So kommt man nicht nur spaßig, sondern auch kraftsparend zum Gipfel. Hierbei spielt neben dem relativ antriebsneutralem Hinterbau allerdings auch die leicht rollende Reifenwahl aus Maxxis Minion DHF und Dissector in der Exo-Karkasse eine Rolle.
Auch abseits planierter Forstwege bleibt der sehr positive Uphill-Eindruck bestehen. Der von uns größtenteils in der offenen Position gefahrene Dämpfer generiert auch auf rutschigen und unebenen Untergrund ausreichend Grip, während die nicht allzu kurzen Kettenstreben einem Ansteigen der Front entgegenwirken. Einen kleinen Minuspunkt in der Komfort-Wertung gibt es allerdings für den ziemlich unbequemen Fizik-Sattel.
Auch bergab bleibt das Orbea Occam LT seinem agilen Charakter treu. Das Trail Bike besticht mit seinem einfachen wie direkten Handling und lässt sich blitzschnell von links nach rechts feuern. Schnelle und präzise Richtungswechsel sowie eine aktive Fahrweise machen hier jede Menge Spaß. Auch wenn es auf technischen Trails mal etwas langsamer zugeht, ist man mit dem Occam gut aufgehoben und hat nie das unschöne Gefühl, einen trägen Sattelschlepper durch den Wald manövrieren zu müssen.
Zudem lässt sich der langhubigere Part der Occam-Famlie sehr leicht in Kurven legen. Diese werden dank der ausbalancierten Geometrie flott, souverän und ohne jegliche böse Überraschungen gemeistert. Gerade auf flowigen und gebauten Trails sorgt dies für ein fettes Grinsen im Gesicht.
Auch von ruppigeren Trail-Abschnitten lässt sich das Orbea vorerst nicht aus der Ruhe bringen. Wird es allerdings richtig kernig, so muss das spanische Trail Bike federn lassen. Folgen viele harte Schläge in rascher Reihenfolge aufeinander, mangelt es etwas an Laufruhe. Das Orbea LT liegt in diesen Situationen nicht mehr allzu satt auf dem Trail und wird teilweise unschön versetzt. Zudem rauscht der Dämpfer hier für unseren Geschmack etwas zu schnell durch den Federweg. Für Enduro-Racer, die mit ihrem Bike des Öfteren mal auf Downhill-Strecken vorbeischauen, ist das Occam LT also nicht ganz das richtige Gefährt. Der gewöhnliche All-Mountain- oder Trail-Biker freut sich allerdings über das agile, intuitive Handling, den hohen Fahrspaß und die guten Uphill-Eigenschaften.

Das ist uns aufgefallen
- Reifen-Kombination Die Reifenkombination aus Maxxis Minion DHF und Maxxis Dissector ist aufgrund der Exo-Karkasse zwar nicht optimal für die richtig grobe Trails geeignet, rollt dafür aber ausgesprochen gut und überzeugt vor allem auf harten, trockenen Böden. Bei tiefem, matschigem Untergrund kommen die Reifen allerdings an ihre Grenzen. Zudem wäre je nach Einsatzbereich eine etwas dickere Karkasse am Heck wünschenswert.
- Flaschenhalter-Aufnahme Für Rechtshänder könnte der Kauf des Orbea Occam LT etwas Umgewöhnung bedeuten. Aufgrund des asymmetrischen Rahmen-Designs kann man seine Trinkflasche nämlich nicht mehr mit der „bevorzugten“ Hand greifen. Hier ist ein Flaschenhalter mit Links-Auszug nötig. Auch Fidlock-Nutzer schauen in die Röhre, da der magnetische Drehverschluss beim Lösen mit dem Rahmen kollidiert.
- Knacken Leider begleitete ein nerviges Knacken unseren Testalltag. Vor allem beim Bremsen und im Wiegetritt gab unser Testbike unschöne Geräusche von sich. Die Fehlersuche machte schnell das Race Face Turbine R-Laufrad als Schuldigen aus. Das ungewollte Geräusch ist wohl auf eine fehlerhaft verklebte Naben zurückzuführen. Diese Probleme können allerdings nur bei älteren Laufrad-Chargen auftreten. Betroffene Laufräder werden von Race Face unverzüglich und problemlos ausgetauscht.
- Integriertes Multitool Praktische Swat-Lösungen wie das in den Umlenkhebel integriertes Multitool sind aktuell absolut en Vogue und erleichtern vielen Mountainbikern den Alltag. Wir sind nicht nur von der Idee, sondern auch von der Handhabung begeistert. Wer allerdings mit SRAM-Komponenten unterwegs ist, wird einen Torx 25-Schlüssel vermissen.

Im Vergleich
Im Vergleich mit dem kürzlich von uns getesteten Canyon Spectral (Hier geht’s zum Canyon Spectral Test) hat das Orbea Occam LT im Uphill und in Sachen Fahrspaß die Nase vorn. Dafür vermittelt das Canyon gerade in ruppigen Trail-Abschnitten mehr Sicherheit und kann insgesamt mit einer höheren Laufruhe aufwarten. Preislich rangiert das Occam LT zwar eine Klasse oberhalb des Spectrals, dafür bekommt man allerdings auch etwas hochwertigeren Komponenten und die Möglichkeit sein Bike zu individualisieren.
Fazit – Orbea Occam LT
Das Orbea Occam LT kann vor allem durch seine ausgezeichneten Uphill-Eigenschaften, das direkte Handling und den hohen Fahrspaß überzeugen. Dazu gesellen sich schicke Details wie das integrierte Multitool und die individuellen Konfigurationsmöglichkeiten des MyO-Programms. Kleine Schwächen leistet sich das langhubige Trail Bike allerdings in besonders ruppigen Sektionen. Hier könnte das Occam LT etwas mehr Sicherheit vermitteln. Wer ein kletterfreudiges Trail Bike mit hervorragenden Details, einer eigenständigen Optik und jeder Menge Fahrspaß sucht, ist hier goldrichtig.
- agiles, spritziges Handling und hoher Fahrspaß
- ausgezeichnete Uphill-Performance
- schick integriertes Multitool
- stößt in ruppigem Terrain an seine Grenzen
Wie gefällt euch das Orbea Occam LT?
Testablauf
Wir konnten das Orbea Occam über einen Zeitraum von mehreren Wochen auf unseren Hometrails im Taunus und in Bad Kreuznach testen.
Hier haben wir das Orbea Occam LT getestet
- Bikepark Beerfelden, Hessen Von flowigen Anlieger-Strecken über Jumplines bis hin zu naturbelassenen Wurzeltrails ist alles dabei, sandiger Untergrund.
- Taunus, Hessen Naturbelassene Trails in tiefem Nadelboden mit zahlreichen Wurzeln und Steinen.
- Bad Kreuznach abwechslungsreiche und flowige Trails auf meist trockenem, teils steinigen Boden
Körpergröße | 184 cm |
Schrittlänge | 87 cm |
Oberkörperlänge | 67 cm |
Armlänge | 63 cm |
Gewicht | 74 kg |
- Fahrstil
- sauber, hohes Grundtempo
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Downhill
- Vorlieben beim Fahrwerk
- vorne straffer als hinten, schneller Rebound, nicht zu viel Dämpfung
- Vorlieben bei der Geometrie
- geräumiger Reach, keine zu kurzen Kettenstreben, flacher Lenkwinkel