
Zwei Jahre ist es bereits her, dass wir das letzte Mal die schnellsten Downhill-Bikes im World Cup-Zirkus gegeneinander getestet haben – und viel ist seitdem passiert! Waren 29″-Räder damals fast nur Profis vorbehalten, gehören sie zumindest an der Front mittlerweile zum Standard. Dazu kommen immer potentere Geometrien, gewagtere Federungssysteme, ausgefallenere Rahmendesigns und immer mehr Einstellmöglichkeiten. Wir haben mit dem Canyon Sender, Cube Two15, Propain Rage und Trek Session vier aktuelle World Cup-Bikes gegeneinander getestet!
Wir müssen zugeben: Einfach war es nicht, diesen Test zu organisieren. Auch 2021 haben die Pandemie und die damit einhergehenden Lieferengpässe die Bike-Industrie fest in ihrem Griff. Dazu sind Downhill-Bikes immer noch echte Exoten – eindimensionale Renn-Boliden für einen denkbar eng gesteckten Einsatzbereich und eine entsprechend nieschige Kundschaft. Erfreulicherweise gibt es jedoch weiterhin Hersteller – darunter echte Schwergewichte –, die den Sport als das Aushängeschild und den Aufmerksamkeitsmagneten sehen, der er ist. Außerdem lassen sich neue Ideen und Konzepte nirgendwo so effizient entwickeln und so brutal auf den Prüfstand stellen, wie im Downhill World Cup. Ähnliches gibt es schon lange im Motorsport, doch das Geniale im Vergleich zu Formel 1, WRC und Co. ist: Downhill-Bikes kann man selbst kaufen und fahren!

Die Testkandidaten
Wie schon bei unserem letzten Downhill-Vergleichstest haben wir den Herstellern kein Preislimit gesetzt. Gerade am Downhiller, der so stark auf einen einzigen Einsatzzweck optimiert ist, können Details und Einsparungen am Fahrwerk oder den Bremsen oft eine große Wirkung haben. Wir wollten allerdings wissen, was der jeweilige Rahmen wirklich leistet! Eine Bedingung gab es allerdings: Alle Bikes wurden uns mit 29″-Rädern zugeschickt. Das ist die präferierte Laufrad-Konfiguration unserer Tester und hatte zudem den Vorteil, dass alle Modelle auch tatsächlich genauso erhältlich sind!
Carbon hat sich als Rahmenmaterial mittlerweile in so gut wie allen Radsport-Sparten etabliert. Mit dem Trek Session setzt tatsächlich nur eines unserer vier Testbikes auf Aluminium – dass ausgerechnet der US-amerikanische Bike-Riese 9 Jahre nach dem ersten Carbon-Session diesen Schritt geht, hätte man vorher wohl auch nicht gedacht. Das Session ist zudem der einzige Vertreter der immer populärer werdenden High-Pivot-Räder – kombiniert das System jedoch mit dem bekannten ABP-Hinterbau.
Ganz frisch aus dem Ei geschlüpft ist das erst Mitte Juli vorgestellte Propain Rage CF. Dieses wurde mit dem neuen Pro 10-Hinterbau und einem wuchtigen Carbon-Rahmen ausgestattet.
Ebenfalls gerade erst flügge geworden, sind das Cube Two 15, das seit neustem auf einen dynamisch wirkenden Carbon-Hauptrahmen setzt, und das 2020 bereits von uns angetestete Canyon Sender.
Letzteres konnte sich unter Troy Brosnan direkt den ersten World Cup-Sieg der Saison in Leogang sichern und bietet einen vielfältig einstellbaren Rahmen mit verschiedenen Reach- und Kettenstrebenlängen-Optionen. Auf derartige Spielereien hat Cube hingegen komplett verzichtet und bietet mit dem neuen Two15 eine extrem leichte World Cup-Rakete mit progressivem Viergelenker-Hinterbau an.
Laufradgröße | Federweg vorne | Federweg hinten | Gewicht | Preis (UVP) | |
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Canyon Sender CFR | 29" | 200 mm | 200 mm | 15,7 kg | 5.799 € |
Cube Two15 HPC SLT 29 | 29" | 200 mm | 200 mm | 15,2 kg | 5.899 € |
Propain Rage CF 29 Highend | 29" | 200 mm | 215 mm | 16,6 kg | 6.319 € |
Trek Session 9 | 29" | 200 mm | 200 mm | 16,9 kg | 6.999 € |
Rahmengröße | Trek Session – R2 | Canyon Sender – L | Cube Two15 – L | Propain Rage – L |
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 465 mm | 485 mm | 464,48 mm | 465 mm |
Stack | 638,6 mm | 631 mm | 651,68 mm | 638 mm |
STR | 1.37 | 1.3 | 1.4 | 1.37 |
Lenkwinkel | 63° | 63° | 63.29° | 63° |
Sitzwinkel, effektiv | 76,5° | 78° | 78,49° | 79° |
Sitzwinkel, real | 61° | 60.5° | 69° | |
Oberrohr | 618,3 mm | 650 mm | 577,81 mm | 589 mm |
Steuerrohr | 117 mm | 110 mm | 124 mm | 110 mm |
Sitzrohr | 450 mm | 420 mm | 400 mm | 440 mm |
Überstandshöhe | 751 mm | 747 mm | 721,5 mm | |
Kettenstreben | 445 mm | 445 mm | 445 mm | 460 mm |
Radstand | 1.286 mm | 1.305 mm | 1.286 mm | 1.290 mm |
Tretlagerabsenkung | 22,5 mm | 21 mm | 27,5 mm | 21 mm |
Tretlagerhöhe | 350 mm | 352 mm | ||
Federweg (hinten) | 200 mm | 200 mm | 200 mm | 215 mm |
Federweg (vorn) | 200 mm | 200 mm | 200 mm | 200 mm |
Was macht ein gutes Downhill-Bike aus?
Selten war der Markt so reich an potenten Freeride-Rädern, die viel Spaß auf Airtime-lastigen Bikepark-Strecken versprechen und sich teilweise sogar wieder gemütlich nach oben pedalieren lassen. Diese Anforderung ist für uns somit endgültig aus dem Lastenheft eines Downhill-Bikes gestrichen: Wir wollen Speed! Große Laufräder, mindestens 200 mm Federweg, Doppelbrücken-Gabeln, endloser Grip und dennoch ein aktives Fahrwerk, das viel Gegenhalt für aggressive Fahrmanöver bietet.
Natürlich soll man mit einem modernen Downhiller auch mal auf den Jumptrail abbiegen können, vorausgesetzt, dieser hat genug Gefälle! Denn mehr als ein kurzer Zwischensprint ist mit so einem Race-Bike nicht drin – zu sehr sind Geometrie und Fahrwerk auf die Abfahrt ausgerichtet. Dazu gehören in den letzten Jahren stark in die Länge gewachsene Reach-Werte – auch wenn diese oft nicht die Dimensionen potenter Trail- oder Enduro-Bikes erreichen –, sehr flache Lenkwinkel von 62–63,5°, lange Kettenstreben und ein entsprechend wuchtiger Radstand. Auch der Stack liegt auf beträchtlicher Höhe – zum einen aufgrund der langen Federgabeln, zum anderen, um auch in steilen Abfahrten zentral im Rad zu stehen.

Der Downhill-Sport dient oft als Testpool für Fahrwerks-Entwickler – entsprechend groß ist hier die Varianz. In unserem Testfeld setzen zwei Räder auf den am weitesten verbreiteten Viergelenker-Hinterbau, eines bietet einen virtuellen Drehpunkt mit schwimmend gelagertem Dämpfer und ein Bike wirft eine Version eines Eingelenker-Hinterbaus mit hohem Drehpunkt und Kettenumlenkung in die Waagschale. Die Anforderungen sind jedoch überall gleich: Feine Vibrationen sollen ebenso rausgefiltert werden wie harte Einschläge oder richtig dicke Brocken. Zu verschwenderisch sollten die 200+ mm jedoch nicht genutzt werden: Manche Schlüsselstellen lassen sich nicht nur mit Federweg meistern – technische Raffinesse ist gefragt! Dafür braucht es ausreichend Gegenhalt, um den Boliden in die Luft zu bewegen oder um auch nach einer harten Landung genug Reserven und Kontrolle für folgende technische Passagen zu haben.

Wenn es ohnehin nur bergab geht, kann man das Gewicht doch vernachlässigen, oder? Ganz so leicht würden wir es uns nicht machen. Mancher Carbon-Downhill bringt nur knapp über 15 kg auf die Waage – schließlich verzichtet man im Vergleich zum Enduro-Bike auf Variostützen und bandbreitenstarke Kassetten. Während ein geringes Gewicht die Agilität erhöhen kann, geht es ab einem gewissen Punkt etwas auf Kosten der Laufruhe. Wer schon einmal von Massenträgheit gehört hat, ist jetzt nicht sonderlich überrascht. Zu schwer sollte ein Downhill-Race-Bike also nicht sein, im Zweifel würden wir einem leistungsstarken Fahrwerk sowie einem angenehmen und haltbaren Chassis jedoch den Vorrang geben.



Das bringt uns zum letzten Punkt – der Haltbarkeit! Sieht man, wie die World Cup-Fahrer ihre Arbeitsgeräte gnadenlos durch den Wald prügeln, könnte man denken, das wären unzerstörbare Panzer. Die traurige Wahrheit ist: Auch wenn moderne Downhill-Bikes viel aushalten, ist man mindestens so viel mit Schrauben wie mit Fahren beschäftigt! Ein Knarzen hier, ein Knacken dort, eine verdellte Felge oder ein Loch im Reifen – irgendwas ist fast immer. Wichtig ist jedoch, dass derartige Störfälle möglichst selten sind – und wenn sie doch auftreten, dann sollen sie bitte leicht zu beheben sein.

Auf den Punkt gebracht verbleiben folgende Eigenschaften:
- Laufruhe Schaut man sich die Strecken im World Cup an, dominieren aktuell die Highspeed-Pisten. Hier sind laufruhige Räder gefragt, die ausreichend Sicherheit vermitteln, um die eigenen Limits auszutesten. Anders sieht es im Mittelgebirge oder auf klassischen iXS Cup-Strecken aus – der gute alte Fichtenslalom ist hier meist fester Bestandteil der Streckenführung. Für den praktischen Einsatz ist also ein Kompromiss aus Wendigkeit und Laufruhe gefragt.
- Fahrspaß Es gibt mittlerweile viele Optionen für spaßige Freeride- und Enduro-Bikes mit ausreichend Reserven für ruppige Strecken. Wer sich ein Downhill-Bike kauft, will schnell bergab fahren! Das schließt Fahrspaß natürlich nicht aus, der stammt jedoch weniger von Jibs und Tricks, sondern ergibt sich eher aus der puren Fahrfreude.
- Haltbarkeit Ferdinand Porsche gab einst an, dass das ideale Rennauto direkt hinter der Ziellinie in seine Einzelteile zerfällt. Leider ist Downhill-Fahren kein ganz günstiges Hobby, weshalb wir durchaus Wert darauf gelegt haben, dass Rahmen und Komponenten unseren Test einigermaßen unbeschadet überstehen.
- Preis-Leistung Der Kauf eines Downhillers lässt sich selten mit rationalen Gründen erklären. Entweder man will es oder man will es nicht – wirklich brauchen werden das wohl nur Profis. Trotzdem ist es natürlich schön, wenn das Traumbike gleichzeitig auch noch die Geldbörse schont. Letzten Endes hat für uns jedoch vor allem die Leistung gezählt.



Wie haben wir die Downhill-Bikes getestet?
Für unseren Downhill-Vergleichstest sind wir die vier Testkandidaten mehrere Tage lang im tschechischen Trailpark Klinovec nahe der deutschen Grenze gefahren. Der Park dürfte vielen Race-Fans aus den neuen Bundesländern vor allem für die extrem schnelle und ruppige Downhill-Strecke bekannt sein. Diese ist nicht nur seit einigen Jahren Ausrichtungsort eines iXS Cup-Stopps, sondern auch die Trainingsstrecke vieler Deutscher Profi-Fahrer wie Max Hartenstern oder Johannes Fischbach. Parallel verläuft zudem eine mittlerweile legalisierte und stark ausgebaute Wurzelstrecke. Deren Charakter könnte kaum anders sein: Statt Sprüngen, löchrigen Anliegern und vielen, vielen tiefen Kanten dominieren hier meist feuchte Wurzelfelder, enge Kurven und eher niedrige Geschwindigkeiten. Nur die vielen künstlichen und oft sehr ruppigen Steinfelder teilen sich die beiden Strecken. Da man zudem an mehreren Punkten des Hangs zwischen den Strecken wechseln kann, ist der Trailpark Klinovec der ideale Test-Ort für Downhill-Race-Bikes!

Wer es eher etwas gemütlicher angehen lassen will, wählt am Klinovec eine der drei „bikeparkigen“ Strecken. Während sich Azur und Rubin eher an Anfänger und Trailbiker richten, eignet sich der Freeride-Track Baron, um die Park-Eigenschaften eines Downhill-Bikes auf die Probe zu stellen. Hier reihen sich Tables und Anlieger mit deutlich weniger Gefälle und nicht ganz so tiefen Bremslöchern kilometerlang aneinander.
Neben Gregor, unserem Haupt-Tester in Sachen Downhill, haben wir uns die Racer-Expertise von Lucas Rham ins Haus geholt. Der Thüringer betreibt mit Trailwerk mittlerweile eine eigene Guiding-Firma, mit der man sogar Untertage in einem alten Bergwerk fahren kann, stand jedoch auch schon bei World Cup-Rennen und EDC-Super Finals im Starthäuschen. Beide Tester sind um die 1,80 m groß und passen so bequem auf die uns zugeschickten L-Rahmen. Die leichten Gewichtsunterschiede (70–76 kg) und teilweise unterschiedlichen Präferenzen in der Cockpit-Höhe wurden durch entsprechende Fahrwerksanpassungen und verschiedene Lenker- und Vorbau-Kombinationen gelöst.
Während wir uns für die ersten Fahrten auf die vom Rahmen- oder Fahrwerkshersteller vorgegebenen Einstellungen verlassen haben, wurden im Laufe des mehrtägigen Tests verschiedene Änderungen am Dämpfungs-Setup, dem Luftdruck oder der Federhärte sowie der Anzahl der Tokens vorgenommen. Jeder Fahrer konnte so über mehrere Läufe ein passendes Setup erarbeiten und im Zweifel verschiedene Modelle back-to-back gegeneinander fahren.



Die Eindrücke zu den verschiedenen Bikes werden in der kommenden Woche in umfangreichen Einzeltest-Artikeln erscheinen. Am Ende der Artikel-Serie ziehen wir dann ein Resümee und küren die unserer Meinung nach hervorragendsten Modelle. Ihr dürft also auf die nächsten Tage gespannt sein!

Welches der vier Modelle ist dein Favorit auf der Downhill-Strecke?
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres Downhill-Bike-Vergleichstests: