
45NRTH Vanhelga im Test: Seit dieser Nacht hat meine Suche hoffentlich ein Ende. Es hallt immer noch ein „HELGA“ in meinem Schädel wieder. Ich träumte letzte Nacht von Ihr. Kennen tue ich Sie nicht, nur ihren Namen. Es ist zehn Jahre her, als dieser liebenswerte, angeschlagene Bewegungslegasteniker die ganze Nacht über das Konzertgelände von Rock am Ring gelaufen ist und lauthals nach Ihr gerufen hat: „HELGAAAAA!!!“ Niemand weiß ob er bei „HELGA“ ein Bier bestellen wollte, aber „HELGA“ hat sich in das kollektive Ringrockerbewusstsein eingebrannt. Heute reicht es diesen Namen über das Festivalgelände zu schmettern und es kommt tausendfach aus den trockenen Kehlen bierlechzender Dixiekloliebhaber zurück. Diese „HELGA“ muss wohl was ganz besonders sein. Vielleicht ist es dieser Reifen mit Namen „Vanhelga“ ja auch, denn ich suche was besonderes. Ich suche einen Fatbikereifen der besonders schneetauglich ist.
45NRTH Vanhelga: Kurz & knapp
- Optionen: 120 tpi, 60 tpi
- Größe: 26 x 4.0″ (559/26″ MTN)
- Casing: 120 tpi Ultralight or 60 tpi
- Bead: Folding Tubeless Ready (120 tpi und 60 tpi)
- Felgenbreite: kompatibel mit 65-102 mm
- Gummi: Dual compound (60a in der Mitte, 52a an den Seiten)
- Preis: etwa 99 €
45NRTH Vanhelga im Test
In der Hand
Nachdem im letzten November für mich klar war, am Snow Bike Festival in Gstaad/Schweiz mit einem Pivot LES Fat teilzunehmen, waberte immerfort die Frage der richtigen Bereifung für diesen schneebedeckten Event durch meinen Kopf.
Ein erster Schneetest in der heimischen Eifel ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass der am Serienrad verbaute Maxxis Mammoth keine Option für ein endweißes Erlebnis in den Alpen sein kann. Dafür sind solch profillose Reifen wie ein Maxxis Mammoth, Schwalbe Jumbo Jim oder Kenda Juggenoth einfach nicht gebaut. Sie fühlen sich im trockenen wohler, wo es dann auch mal schneller werden darf.
Aber wie sieht ein optimaler Schneereifen aus, sollte er mit maximaler Breite aufwarten oder reicht es schon, ein ausgeprägtes Profil sein Eigen zu nennen? Ein Reifen sollte nicht nur schnee- und eistauglich sein – so kommen spikebestückte Pneus für mich erst gar nicht in Frage. Und jetzt der Wink mit dem Traumpfahl letzte Nacht.
Die Beschreibung zur 45NRTH Vanhelga liest sich vielversprechend und die Reifenbreite von 4 Zoll und eine 120 tpi Karkasse kommt meiner Vorliebe zum schmalen leichten Fatbikereifen entgegen. Mehrfach geschlitzte aggressive Stollen hatte ich auch noch nie, also her damit.
Auspacken, anfassen, wiegen und staunen – trotz seines ausgeprägten Profils wiegt die 45NRTH Vanhelga unter 1.300 g. Mit 1.287 g/1.245 g liegen die Reifen trotz ihres groben Profils vom Gewicht auf dem Niveau des am Pivot serienmäßig verbauten Maxxis Mammoth.
Was an Vanhelga direkt auffällt sind ihre ausgeprägten Seitenstollen, genau so hatte ich mir das vorgestellt. Erste Versuche im heimischen Schneematsch fühlen sich gut an, wir flirten miteinander. Das Fatbike und ich sind viel sicherer im Trail unterwegs mit Ihr.
Auf dem Trail
Der Härtetest folgt beim Snow Bike Festival in der Schweiz, wo die unterschiedlichsten Schneeverhältnisse anzutreffen sind. Hier kann Vanhelga sich beweisen. Erste Herausforderung ist der Einladung des Veranstalter Folge zu leisten, ihm auf die Skipiste von Rougemont zu folgen. 10 km Abfahrt mit über 1100 hm bei Gefällen von bis zu 45%, da bleibt keiner cool. Zucken an Augen und Mundwinkeln verraten meine Aufregung und meine Angst, dass Sie mich und meine fahrerischen Unzulänglichkeiten im Stich lassen könnte. Jedoch ist meine Angst unbegründet, Helga zieht ihre Bahn, während andere mit der falschen Reifenwahl schnell den Spaß an der Piste verlieren.
Der Prolog des Festivals auf einem zerfahrenen Rundkurs trennt gute und schlechte Fahrer genauso wie Grip haben oder nicht haben. Nur ein Fatbike zu fahren garantiert nicht im zerfahrenen, tiefen Schnee im Sattel bleiben zu können. Es ist eine Frage des Reifens! Wer hier am Stollen gespart hat, hinterlässt Fußspuren im Schnee.
Es folgen drei Etappen Schneeerlebnis, drei Tage wechselnde Bedingungen. Ich würde lügen wenn ich behaupten würde, dass es auf präparierten Wegen bergauf zwingend nötig wäre ein Fatbike fahren zu müssen. Damit ist auch die Frage zur Reifenwahl beantwortet. Wechseln aber die
Schneeverhältnisse oder geht es in den Downhill, so zeigt das ausgeprägte Stollenprofil des 45NRTH Vanhelga wer den Grip hat. Besonders die ausgeprägten Seitenstollen garantieren Sicherheit und Kurvengrip. Im Schnee von Bremsgrip zu sprechen ist natürlich immer eine Wanderung auf einem Grat hin zur Lächerlichkeit. Jedoch kann die „HELGA“ auch hier überzeugen. Sobald jedoch Eis ins Spiel kommt ist es auch um sie geschehen, dann kommt man an Spikes nicht vorbei.
In einigen Gesprächen mit spikebereiften Fahrern kristallisierte sich so auch heraus, dass Spikes im Schnee nicht grundsätzlich die bessere, aber die sicherere Wahl sind. Wer bereit ist, für den Preis des Mehrgewichtes in ein sichereres Fahrgefühl zu investieren, wird mit dem DILLINGER 4 die Alternative zur 45NRTH Vanhelga finden.
Richtig interessant wird das Schneeerlebnis im Tiefschnee und auf zerfahrenen Wegen. Das ist das Terrain wo fatte Reifen ihre ganze Kompetenz ausspielen können. Dort wo alle anderen Reifenformate versagen, zieht der passende Fatbikereifen mit der richtigen Profilierung noch seine Spur.
Am Ende des Festivals ist klar, dass ich die richtige Wahl getroffen habe. Ein Fatbikereifen der in jeder Schneelage überzeugen kann und der die leichte Alternative zu Reifen mit Spikes darstellt.
Seine Grenze ist genau definierbar, sie beginnt dort wo der Schnee ins Eis übergeht.
Aber kann Vanhelga auch ohne die weiße Pracht in der Schlammlage hiesiger Mittelgebirge überzeugen? Im Schlamm und Matsch gibt es physikalisch gesehen keine großen Alternativen zu dünn. Der Reifen muss schnellstmöglich den festen Grund erreichen, um Grip zu haben. Je dünner und grobstolliger ein Reifen ist, desto besser die Chance Schlamm und Matsch souverän zu meistern.
Bis dato kam ich mit den von mir gefahrenen Fatbikereifen bei diesen Bedingungen eher schlecht zurecht, aus den selben Gründen die auch den Spaß im Schnee in Frage stellten. Und aus denselben Gründen die schon im Schnee überzeugen konnten, bin ich am Ende zufrieden, diesen Reifen in Matsch und Pratsch testen zu dürfen. Diese langen Seitenstollen sind der Garant, dass auch im Matsch nicht jede Ausfahrt zur Rutschpartie ausartet.
Einzig eine Sache mag Sie gar nicht. Schmutzig, nass, und dreckig so liebt Sie es, jedoch ein fester Asphaltuntergrund ist für Vanhelga ein Graus. Das äußert Sie auch lautstark. Die starken Abrollgeräusche und das mühsame Vorankommen sobald der Untergrund sehr fest ist, lassen mich sofort wieder in ein Gelände abbiegen wo das Vorankommen sich nicht über Schnelligkeit definiert.
Fazit: 45NRTH Vanhelga
Alle die einen Reifen für den Winter suchen, oder sich auch im Sommer im Regelfall in schwierigem und anspruchsvollen Gelände bewegen kann dieser Reifen die erste Wahl sein. Auch die Möglichkeit diesen Reifen tubeless zu fahren ist ein großes Plus. Leider kann ich zu seinen Tubeless-Möglichkeiten keine Aussage treffen, da ich ihn nur mit Schläuchen fahren konnte.
Stärken
- Gewicht
- ausgeprägte Seitenstollen
- guter Grip auf Schnee
- tubeless möglich
Schwächen
- starke Abrollgeräusche auf Asphalt
Webseite: 45nrth.com
Text & Redaktion: Mario Peters | MTB-News.de 2017
Bilder: Zoon Cronje, Mario Peters